Herausgeputzter Veteran

Ein rollendes Mitglied der Alters- und Ehrenabteilung nennt Ortenbergs Feuerwehr ihr Eigen. Im Jahr 1963 ging ein Schlauchkraftwagen in Dienst, der seitdem die Ortenberger Wehr begleitet.

Runde Geburtstage muss man feiern! So auch der 60. Geburtstag des Schlauchkraftwagens (SKW) der Feuerwehr Ortenberg, dessen Erstzulassung auf den 1. August 1963 datiert und der zu den schönsten Feuerwehr-Oldtimerfahrzeugen der Region zählt. Zumindest heimste er bei Oldtimer-Prämierungen schon etliche Auszeichnungen ein. Am Sonntag, 3. September, lädt die Wehr zu Ehren ihres Jubilars selbst zur Oldtimerausstellung ein.

Mehr als 25 historische Schätzchen aus Feuerwehr-Beständen in Wetterau, Vogelsberg und darüber hinaus sind dann ab 10.30 Uhr auf dem Marktplatz zu sehen. Die Schau ergänzt ein Grillfest mit Frühschoppen (ab 11 Uhr), Mittagstisch (ab 12 Uhr) sowie Kaffee und Kuchen (ab 13.30 Uhr).

Trotz seiner 60 Jahre präsentiert sich der SKW wie aus dem Ei gepellt. Keine stumpfe Stelle trübt den Lack, keine Roststelle oder Delle verunziert das Blech. Dabei hat er ein durchaus bewegtes Leben hinter sich. Das Fahrgestell stellte am 5. November 1962 die Klöckner-Humboldt-Deutz AG in Ulm fertig. Anschließend fertigte die Karosseriefabrik Wilhelm Thiele in Bremen den Aufbau. Erster Besitzer war das Land Hessen, das es unter dem Kennzeichen WI-8606 dem »Luftschutzgerätelager« Leihgestern zuwies. Standort war jedoch von Anfang an Ortenberg – und das, obwohl es viele Wehren gab, die das Fahrzeug gerne gehabt hätten.

Wie sich der 93-jährige Horst Herbst erinnert, der damals zur Einsatzabteilung gehörte, hätten sich viele Gemeinden beworben, als bekannt wurde, dass das Land einen Schlauchkraftwagen im Kreis Büdingen stationieren wolle. Allein der zur Beladung gehörende große Schlauchvorrat weckte Begehrlichkeiten. Jedoch machte man zur Voraussetzung, dass der für das Fahrzeug vorgesehene Staffelführer und sein Stellvertreter je zwei einwöchige Lehrgänge an der Katastrophenschutzschule in Johannisberg/Rheingau absolvieren müsse. Diese Vorgabe erfüllte Ortenberg, weil sich Karl Pfeiffer, Vater der heutigen Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring, und Horst Herbst dazu meldeten.

Zweite Forderung war die Unterbringung in einer trockenen Halle. Auch hier punktete Ortenberg, da das 1957 fertiggestellte Feuerwehrhaus über den entsprechenden Platz verfügte. So nahmen schließlich Karl Pfeiffer, Horst Herbst und Werner Holzwarth das Fahrzeug in Leihgestern in Empfang. Dort blieb es auch stationiert, als der Wetteraukreis ihn am 2. Juli 1975 für den Katastrophenschutz übernahm. Das Kennzeichen wechselte zu FB-8211.

Das letzte Stündlein des inzwischen knapp 23 Jahre alten Fahrzeugs sollte nach Willen des Kreises am 7. April 1986 schlagen. An diesem Tag legte man es still. Für 3000 Mark erwarb es die Stadt Ortenberg. Immerhin war der Wagen noch in gutem Zustand, und aufgrund der Situation der Wasserversorgung in der Stadt schadete ein Schlauchkraftwagen vor Ort nicht. So ließ man ihn am 5. Februar 1987 unter seinem alten Kennzeichen wieder zu und er kehrte in die Kernstadt zurück. Hier versah er weiter zuverlässig seinen Dienst, bis man ihn am 12. April 2005 nach fast 42 Dienstjahren »endgültig« stilllegte, da bereits ein Nachfolgefahrzeug bereitstand.

Dennoch wollten sich Ortenbergs Feuerwehrleute nicht von ihrem alten Kameraden trennen. Ein Stück Ortenberger Feuerwehrgeschichte dem Schrotthändler überlassen? Niemals! Stattdessen sollte der SKW die Wehr weiter begleiten, quasi als rollendes Mitglied der Ehren- und Altersabteilung. So stelle der Verein den Antrag auf Überlassung des Fahrzeugs – dem der Magistrat gerne entsprach, so dass man am 12. Dezember 2005 eine entsprechende Nutzungsvereinbarung schloss.

In der Folgezeit schlug die Stunde der »Bastler«. Unter Federführung Dietmar Hillebrechts und mit tatkräftiger Unterstützung von Kameraden der Einsatzabteilung und besonders der Ehren- und Altersabteilung überholte man den SKW innerhalb eines Jahres von Grund auf. Besonders die Karosserie brachten die Helfer – zum harten Kern gehörten neben Hillebrecht die inzwischen verstorbenen Kameraden Willi Heinrich und Wilfried Kirschner sowie Heinz Klein und Wilfried Zahn – in unzähligen Arbeitsstunden optisch wieder auf Vordermann. An der Technik gab es wenig zu tun, und da auch die Originalbeladung noch fast komplett erhalten und funktionsfähig war und weiter ist, präsentierte sich das Fahrzeug nach der Restaurierung und bis zum heutigen Tag fast genauso wie bei Indienststellung.


Text: Manuela Baumann (Kreis-Anzeiger)

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